Würde ich auch so handeln?
Vor ein paar Wochen, an einem Donnerstagmorgen in der Pfarreiwerkstatt Laurentius:
Zwei Näherinnen sitzen vor ihren Maschinen. Lockere Atmosphäre und fleissiges Schaffen. Während Naht um Naht fertig werden, erzählt die eine Frau, dass sie diese Woche ihre Wohnung verloren hat … Die Maschinen stoppen einen kurzen Moment und Betroffenheit macht sich im Raum breit. Während wir noch überlegten, was nun zu tun sei, meinte die andere Näherin mit tiefem Ernst: „Bevor du auf der Strasse schläfst, kannst du ein Zimmer bei mir haben.“
Diese Bereitschaft hat uns beeindruckt und die Frage bei uns Organisatoren provoziert: „Bin auch ich bereit, mein Haus für einen in Not geratenen Menschen zu öffnen?“ Wir sind dankbar über solche Begegnungen. Sie machen die Pfarreiwerkstatt immer mehr zu einem Ort des gegenseitigen Lernens.
Helmut fragt mich während dem Holzhacken:
„Kann ich mal dein Handy haben? Ich habe im Altersheim vergessen zu sagen, dass ich heute Morgen nicht da bin…“
Gesprächsfetzen während seinem Telefonat mit dem Altersheim:
„… ja ich bin am Holzhacken…“ „… ja sicher kann ich das, kann ja nicht den ganzen Tag im Altersheim rumsitzen…“
„… ja, ja… machen Sie sich keine Sorgen, ich bin hier gut aufgehoben, die haben auch Pflaster dabei.“
Unser Arbeitsalltag
„Ich gehe gerne ins Kerzenrecycling in den Turm…“. „Und ich bin heute Holzhacker…“ So tönt es heute an diesem ganz typischen Morgen in unserer Pfarreiwerkstatt:
45 Menschen aus Seebach stehen im Foyer des Pfarreizentrums und studieren die verfügbaren Arbeiten. Heute sind das zum Beispiel die üblichen Reinigungsarbeiten rund ums Pfarrhaus, die z‘Nnüni-Pause vorbereiten und das Kerzenrecycling im Turm.
Etwas aussergewöhnlich ist dagegen ein Auftrag für eine Seebacher Familie. Mit 10 Personen fahren wir zu einem Einfamilienhaus, um Brennholz aufzuschichten. Trotz allseitig verkündeter „Roboterzeiten“ gibt es immer noch Arbeiten, die eine Menschen-Kolonne am effizientesten lösen kann. So ist das Abladen und Aufschichten von einigen Tonnen Holz in zwei Stunden erledigt.
Win-win! Denn eine Seebacher Familie hat in Rekordzeit das Holzdepot aufgefüllt, zehn Personen ohne Arbeit hatten einen tollen Morgen, inkl. Kaffee und z’Nüni und können mit 30 Franken mehr Haushaltsgeld in dieser Woche rechnen.
Meine wohl wertvollsten Fr. 30!
Bei meinem letzten Geburtstag habe ich alle Mitarbeiter der Pfarreiwerkstatt zu meiner Party ins Restaurant „InterNationalhof“ eingeladen. Mit der Pizza aus unserem Pizzamobil wurde der Anlass richtig rund und gemütlich.
Am Schluss kam einer jener Mitarbeiter zu mir, der die wöchentlichen 30 Franken wohl am meisten benötigte, streckte mir die beiden Geldscheine entgegen und strahlte mich mit einem „Happy Birthday!“ an.
Auf meinen inneren Widerstand das Geld anzunehmen, antwortete er gelassen: „Ich bin auch ein Mensch. Ich darf mit meinem Geld machen, was ich möchte, und ich schenk es dir.“
Es waren wohl meine wertvollsten 30 Franken in meinem Leben!